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n. 13.06.2007

Rede
13.06.2007 – Volker Schneider
Drohende Altersarmut zerstört Vertrauen in die Rente

Fraktion DIE LINKE. macht das Ergebnis der OECD-Studie niedriger Renten zum Thema einer aktuellen Stunde im Bundestag

Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Seit Wochen und Monaten feiert sich die Bundesregierung wegen des Aufschwungs und ignoriert dabei gnadenlos, dass dieser wenigen nützt und an vielen schlicht vorbeigeht. Die DAX-Unternehmen erzielen bemerkenswerte Gewinnsteigerungen weit über dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum und scheinen dennoch ihre vornehmste Aufgabe darin zu sehen, ihre Personalkosten noch weiter zu senken.

Aber das ist heute nicht unser Thema. Wie sieht es bei der Rente aus? Wirtschaftswachstum im Jahre 2006: 2,7 Prozent. Rentenerhöhung: Fehlanzeige. Das bedeutet unter Berücksichtigung der Inflationsrate real ein Minus von 1,7 Prozent bei Rentnerinnen und Rentnern.

(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)

2007 wird Ihre Bilanz ähnlich „erfolgreich“ ausfallen. Die Rentenerhöhung man traut sich das Wort „Erhöhung“ in diesem Zusammenhang kaum in den Mund zu nehmen wird mit 0,54 Prozent wieder deutlich hinter der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurückbleiben, und nach Abzug der Inflationsrate werden Rentnerinnen und Rentner wieder real weniger in den Taschen haben.

(Anton Schaaf (SPD): Auf was bezieht sich denn die Anpassung?)

- Lieber Kollege Schaaf, wenn Sie es nicht einmal schaffen, in dieser Phase des Aufschwungs die wirtschaftliche Lage dieser Menschen nicht zu verschlechtern, dann kann einem hinsichtlich der zyklisch zu erwartenden Einbrüche der Konjunktur nur noch angst und bange werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Erfolgreich sind Sie vor allem darin, das Vertrauen der Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung zu zerstören. Im Januar dieses Jahres ermittelte Allensbach, dass 88 Prozent der Bevölkerung kein oder wenig Vertrauen in die Zukunft der gesetzlichen Rente haben. Das ist ein absoluter Tiefpunkt.

(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Denken Sie mal über die Prozente Ihrer Wahlergebnisse nach!)

Es ist leider nicht nur ein gefühlter Mangel an Vertrauen. Es sind die harten Daten und Fakten, die dieses Misstrauen stützen.
Ende der 90er-Jahre erreichte ein Durchschnittsverdiener oder eine Durchschnittsverdienerin mit 28,6 Beitragsjahren das Niveau der Grundsicherung im Alter.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Damals gab es die noch gar nicht!)

Nach Ihren Reformen wird dieses Niveau das sind übrigens 674 Euro nach 36 Beitragsjahren erreicht. Das gilt, wohlgemerkt, für Vollzeitbeschäftigte. Eine Beschäftigte mit 30 Stunden in der Woche, also mit einer 75-Prozent-Beschäftigung, benötigte 48,5 Jahre, um überhaupt das Niveau an Rente zu erreichen, das sie auch dann bekommen würde, wenn sie in ihrem Leben überhaupt nicht gearbeitet hätte.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber die Grundsicherung ist die gleiche, Herr Schneider!)

Woher soll da die Zustimmung zur Rente noch kommen?

(Beifall bei der LINKEN)

Anders gesagt: Trotz lebenslangen Arbeitens erhält man nicht mehr als das, was einem auch dann zustünde, wenn man in seinem Leben nie gearbeitet hätte. Es ist kaum notwendig, zu ergänzen, dass viele teilzeitbeschäftigte Frauen weder 30 Stunden in der Woche arbeiten noch durchschnittlich verdienen.

Von dem Ziel, den Menschen im Alter ein Leben in Würde zu ermöglichen, haben Sie sich verabschiedet. Von der Zielsetzung einer Lebensstandardsicherung sollten wir besser überhaupt nicht mehr reden. Sie haben einen radikalen Systemwechsel vollzogen. Die Beiträge orientieren sich nicht mehr an dem, was nach unserem Grundgesetz in einem demokratischen und sozialen Bundesstaat angemessen wäre; die Höhe der Leistungen der Rentenversicherung wird an das angepasst, was von vornherein gedeckelte Beitragssätze in der Rentenversicherung noch zulassen.

1992 ging man noch davon aus, dass Arbeitnehmern wie Arbeitgebern 2040 ein Beitragssatz von 26 bis 28 Prozent zugemutet werden könne, um das damalige Niveau der Rente aufrechtzuerhalten. Sie haben die Beitragssatzhöhe für diesen Zeitraum auf 22 Prozent festgeschrieben. Das sind nur 11 Prozent für die Arbeitgeber, das sind aber 11 Prozent für die Arbeitnehmer plus 3 Prozent nach Abzug der staatlichen Förderung für die Riester-Rente. Wenn man dann noch die Wirkungen der Rentenreform von 2003 Ulla Schmidt! ausgleichen wollte, wären das, so haben die Gewerkschaften errechnet, weitere 3 Prozent. Mit 17 Prozent für die Arbeitnehmer auf der einen Seite und 11 Prozent für die Arbeitgeber auf der anderen Seite sind wir wieder bei den genannten 28 Prozent. Geändert hat sich nichts; nur die Parität in der gesetzlichen Rentenversicherung ist gnadenlos außer Kraft gesetzt worden.

Nun erreichte uns in den letzten Tagen ein Bericht der OECD, bei dem man sich verwundert die Augen reibt: Deutschland an der Spitze der Tabelle der Bruttoersatzrate der Rente in der Einkommensgruppe bis 50 Prozent des Durchschnittseinkommens. Die Bundesregierung wird für ihre Rentenpolitik ausdrücklich gelobt.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): So ist es!)

Freuen Sie sich nicht zu früh, Herr Weiß! Denn was besagt diese Tabelle? Dort steht nichts anderes, als dass ein Arbeitnehmer, der 2004 mit 20 Jahren zu arbeiten beginnt, bei voller Erwerbstätigkeit bis zum gesetzlichen Rentenalter mit konstant 50 Prozent des Durchschnittseinkommens 39,9 Prozent des Bruttoverdienstes erzielt. Ich bitte die Damen und Herren auf den Tribünen, sich einmal für einen Moment zu überlegen, was es heißt, dass sie im Alter mit rund 40 Prozent auskommen müssen!

(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Sie müssen erst mal 45 Jahre älter werden!)

Das ist keine Einzelposition; das ist in allen Gruppierungen so.

Bei einer derart „erfolgreichen“ Rentenpolitik fürchten viele in diesem Land mit Recht, im Alter vor Armut nicht ausreichend geschützt zu sein. Wir brauchen jetzt eine radikale Kehrtwende in der Rentenpolitik: Aufhebung der Beitragssatzdeckelung, Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung, Wegfall aller Dämpfungsfaktoren und Wiedereinführung der Orientierung an der Lebensstandardsicherung.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN

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