Rede 19.10.2006 – Volker Schneider Besser spät als nie!
Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Thönnes hat es ja schon ausgeführt: Am Anfang dieses Omnibusgesetzes stand zunächst einmal allein und ausschließlich das Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes. In diesem Gesetz wird geregelt - auch das ist ja schon angesprochen worden -, dass die Finanzierung der Insolvenzsicherung von Betriebsrenten - und nur der Insolvenzsicherung und nicht der Betriebsrenten - über den Pensions-Sicherungs-Verein auf volle Kapitaldeckung umgestellt wird. Es hat sich erwiesen, dass alle Beteiligten davon profitieren: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben durch diese Umstellung den Vorteil eines stärkeren Schutzes ihrer Betriebsrente vor dem Risiko einer Insolvenz des Arbeitgebers. Die Arbeitgeber zahlen zwar für einen überschaubaren Zeitraum von 15 Jahren zunächst höhere, danach aber wegen der Zinseffekte niedrigere Beiträge, sodass auch sie die Änderung begrüßt haben.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das funktioniert auch bei den Arbeitsrenten, das klappt auch bei der Krankenversicherung! Die Frage ist, warum man das nicht auch dort macht!)
- Herr Kolb, darüber haben wir heute Abend nicht zu diskutieren.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber man kann ja einmal darauf hinweisen!)
Wo es nur Gewinner und keine Verlierer gibt, herrscht natürlich beste Stimmung. Wenn die Stimmung so gut ist, kann man sie natürlich nutzen: Man stellt dann einen Omnibus auf und packt all das hinein, was man in der Sozialgesetzgebung schon längst erledigt haben wollte, wozu man aber bislang keine Zeit oder keine Gelegenheit gefunden hat. Weil die Aussage der Kanzlerin, in dieser Koalition gehe Sorgfalt immer vor Schnelligkeit, nicht immer ganz richtig ist, hat man noch ein paar Gesetze hineingepackt, mit denen handwerkliche Fehler beseitigt werden.
Sie haben, wenn auch schamhaft, auch zwei rote Rosen aus dem Garten der Linken in den bunten Strauß eingebunden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Stiefmütterchen!)
- Sie können sie als Stiefmütterchen bezeichnen. Stiefmütterchen sind aber, wenn ich das richtig sehe, nicht rot. - Nachdem Sie gemäß Ihrem Grundsatz "Guter Antrag, falscher Antragsteller" noch im März den Antrag der Fraktion Die Linke, die 1-Euro-Jobs aus der Berechnung der Werte der Rentenversicherung herauszunehmen, als überflüssig abgelehnt haben, bringen Sie ihn nun selbst ein. Besser spät als nie!
(Beifall bei der LINKEN)
Kollege Brauksiepe, Sie behaupten immer wieder, damals - das hört sich bei Ihnen so an, als sei es Ewigkeiten her; es war im März - sei diese Änderung noch nicht notwendig gewesen, fragten dann in der Anhörung aber selbst den Gutachter der Rentenversicherung, ob es angesichts des Zeitpunkts nicht sinnvoll sei, die Rechengrößen statt über Rechtsverordnungen direkt im Gesetzgebungsverfahren zu regeln. Was ist das: Ahnungslosigkeit, Ignoranz oder Schizophrenie?
(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sie werden das nicht verstehen!)
Wären Sie damals unserem Antrag gefolgt, bestünde jetzt nicht die Notwendigkeit, sich als Gesetzgeber in den Tätigkeitsbereich der Exekutive einzumischen.
(Beifall bei der LINKEN - Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das hängt jetzt nicht miteinander zusammen!)
Damit Sie die zweite Rose besser im Strauß verstecken können, haben Sie vom Stiel ein Sechstel abgeschnitten. Ob Sie die Frist für die Aufbewahrung von Lohnunterlagen aus der früheren DDR nur um fünf oder, wie von uns gewünscht, um sechs Jahre verlängern, ist nun wirklich nicht der Punkt.
Es ist wichtiger - da muss ich im Ansatz dem Kollegen Kolb Recht geben -, zu überlegen, wie es uns in der zusätzlich gewonnen Zeit gelingen wird, die Betroffenen in den mindestens 1,3 Millionen Fällen ungeklärter Rentenkonten dazu zu bewegen, die erforderliche Klärung vorzunehmen. Aufgrund unserer Erfahrungen sind wir der Meinung, dass in vielen Fällen ein Mangel an Vertrauen in die Rente die Ursache der Zurückhaltung ist. Die Betroffenen stellen sich die Frage: Warum viel Zeit und Aufwand in eine solche Angelegenheit investieren, wenn dabei unterm Strich doch nichts oder wenig he-rauskommt? Auch durch noch so viele Erinnerungen der Deutschen Rentenversicherung wird sich diese Skepsis nicht aufbrechen lassen.
(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Habt ihr das gehört?)
Hier sind wir besonders gefordert.
Kurz noch etwas zu den anderen Blumen in diesem Strauß: Die Fraktion Die Linke begrüßt ausdrücklich die Einbeziehung der Dachdecker in die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung sowie die Klarstellung hinsichtlich des Merkzeichens "B" im Behindertenausweis.
Hinsichtlich der Verlängerung des Instruments der Vermittlungsgutscheine haben wir im bisherigen Verfahren deutlich gemacht, dass wir Zweifel an den positiven Wirkungen dieses Instruments haben, Mitnahmeeffekte aber real beobachtbar sind. Daran ändern aus unserer Sicht auch die vorgenommenen gesetzlichen Änderungen nichts. Wenn sich die Bundesregierung in diesem Zusammenhang durch eine Evaluation weitere Sicherheit verschaffen will, stehen wir diesem Ansinnen nicht im Wege, unterstützen es aber auch nicht.
Die Einbeziehung der unter 25-Jährigen in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern lehnen wir grundsätzlich ab. Die hier vorgenommene weitergehende Veränderung lehnen wir zwar nicht ab, denn sie bringt eine Verbesserung für die Betroffenen; wir können ihr aber auch nicht zustimmen.
In unserer ablehnenden Haltung gegenüber den Änderungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, die von Ihnen als nur redaktionell bezeichnet wurden, sehen wir uns durch die Anhörung bestätigt. Diesen Teil des Antrags lehnen wir ab.
Man muss nicht jede Blume mögen, um einen Strauß ansehnlich zu finden. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf insgesamt zustimmen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Sie haben schon deutlich überzogen.
Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Sie wissen vielleicht, warum Sie unserem Antrag zwar gefolgt sind und die gewünschte Gesetzesänderung bereits eingebracht haben, aber unserem Antrag nicht folgen. Wir verstehen es nicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
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