m. 29.01.2009

Rede
29.01.2009 – Volker Schneider

Keine Ausbeutung von Praktikantinnen und Praktikanten in den Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt


Nicht zum ersten Mal befassen wir uns hier mit der Situation von Praktikantinnen und Praktikanten. Seit 2006 tun wir das jedes Jahr und in jedem Jahr gleich mehrfach. Und wäre ich noch so naiv, die Aussagen der Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition, hier speziell der SPD, für bare Münze zu nehmen, dann müsste ich davon ausgehen, dass das Problem längstens erledigt ist. Ich zitiere hier einmal stellvertretend die SPD – exemplarisch und ohne Namensnennung, denn die Rednerinnen und Redner sind austauschbar - aus einem Protokoll des Jahres 2007:
„Aber wir wissen – die HIS-Studie zeigt das klar auf –, dass es auch eine ganze Reihe unfairer Praktika gibt: Praktikanten werden für lange Zeit ohne oder gegen nur geringe Bezahlung eingesetzt, reguläre Arbeitskräfte werden ersetzt, und die Menschen werden schamlos ausgenutzt, indem sie zunächst mit dem Versprechen einer regulären Stelle geködert und dann fallen gelassen werden. Das ist ungerecht. Das ist Ausbeutung. Das schadet den Menschen, und das schadet der Gesellschaft. Genau dagegen werden wir vorgehen.“

Anders kann es DIE LINKE auch nicht formulieren: Das ist ungerecht! Das ist Ausbeutung! Das schadet den Menschen, und das schadet der Gesellschaft! 2009 noch genauso wie 2007. Nur wann werden sie denn endlich dagegen vorgehen, wie sie und insbesondere der Bundesarbeitsministers das so vollmundig angekündigt haben. Bis heute warten Praktikantinnen und Praktikanten vergeblich auf eine gesetzliche Verbesserung ihrer Situation. Denn selbst die von Olaf Scholz vorgeschlagenen Minimaländerungen sind der Union offensichtlich noch zu viel. Und die SPD zeigt weder Kraft noch Wille.

Mitte Dezember 2008 sind sie im Petitionsausschuss wieder einmal eingeknickt. Damit fällt eine gesetzliche Regelung zu Praktika dem Koalitionsgezänk zum Opfer. Tausende Praktikantinnen und Praktikanten, die weitgehend ohne Schutzrecht und für Lau beschäftigt sind, bleiben im Regen stehen. Zu Recht fühlen sich die vielen betroffenen Praktikantinnen und Praktikanten mittlerweile verschaukelt. Seit über zwei Jahren speist die Bundesregierung sie mit folgenlosen Ankündigungen ab.

Dabei hat sich auch 2008 die Lage gegenüber der HIS-Studie keineswegs verbessert. Laut einer Untersuchung des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie fühlen sich 30 Prozent der Befragten ausgenutzt, 80 Prozent berichten, mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit als normale Arbeitskraft eingesetzt worden zu sein. 51 Prozent der befragten Praktikantinnen und Praktikanten gaben an, nicht bezahlt worden zu sein.

Und wenn sie gegenüber dem Koalitionspartner schon zu feige sind, könnte der Arbeitsminister doch wenigstens im eigenen Haus dafür Sorge tragen, dass Praktikantinnen und Praktikanten zu vernünftigen Konditionen ein Praktikum absolvieren können. Denn es ist zutiefst unglaubwürdig, in der Öffentlichkeit gegen die Ausbeutung von Praktikantinnen und Praktikanten einzutreten, im eigenen Verantwortungsbereich aber genau diese Ausbeutung selbst zu betreiben. Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales werden die jährlich rund 100 Praktikantinnen und Praktikanten beispielsweise allein mit einem Fahrtkostenzuschuss und Essensgutscheinen entlohnt. In den anderen Ministerien sieht es ähnlich aus. Die höchste Aufwandsentschädigung erhalten Praktikantinnen und Praktikanten im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Aber auch hier erhalten sie lediglich 100 Euro monatlich. Das ist ungerecht! Das ist Ausbeutung! Das schadet den Menschen, und das schadet der Gesellschaft! Und dafür liefert die Bundesregierung auch noch das Vorbild.

Es ist längst überfällig, die Ausbeutung von Praktikantinnen und Praktikanten endlich zu unterbinden. Dies gilt in besonderer Weise für Praktikaverhältnisse, die nach Abschluss einer Ausbildung getätigt werden. Die Fraktion DIE LINKE fordert seit Langem, Praktika als Lernverhältnisse gesetzlich zu definieren und an den Vorschlägen der DGB-Jugend orientierte Mindestanforderung für gute Praktikaverhältnisse überall umzusetzen.

Immerhin werden Absolventinnen und Absolventen in den Ministerien und im Bundeskanzleramt nicht als billige Arbeitskraft missbraucht. Aber entgegen der Bundesregierung ist DIE LINKE der Auffassung, dass auch Praktikantinnen und Praktikanten in einer Ausbildung angemessen vergütet werden sollten. Durch die bestehenden Praktika-Regelungen können sich nur Privilegierte ein Praktikum leisten. Wer dagegen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen ist oder die zusätzlich anfallenden Kosten etwa für die Unterkunft am Praktikumsort nicht aufbringen kann, muss auf eine Bewerbung verzichten. Die Bundesregierung trägt somit zur Verfestigung sozialer Ungleichheit bei.

Mit unserem Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, eine angemessene Praktikumsvergütung zu zahlen, für eine qualifizierte Betreuung Sorge zu tragen, jedem Praktikanten und jeder Praktikantin einen Praktikumsvertrag sowie ein qualifiziertes Praktikumszeugnis auszustellen. Es muss endlich Schluss sein mit der „Generation Kantinengutschein“ – wie dies die Süddeutsche Zeitung nennt. Um Schein-Praktika auszuschließen und um für mehr Qualität und Gerechtigkeit bei echten Praktika zu sorgen, muss die Bundesregierung zuerst bei sich selbst aktiv werden. Eine Orientierung bietet der Leitfaden für ein „faires Praktikum“ der DGB-Jugend.

Selbst die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben diesbezüglich einen ersten Schritt getan: Der Ältestenrat sprach sich in seiner Sitzung am 26. April 2007 fraktionsübergreifend dafür aus, die Möglichkeit einer Praktikumsvergütung für Praktikantinnen und Praktikanten einzuführen. Es ist mehr als überfällig, dass jetzt auch die Bundesregierung ihrer Verantwortung gerecht wird.


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