g. 26.06.2008

Rede
26.06.2008 – Volker Schneider
Bundesministergesetz: Bundesregierung misst mit zweierlei Maß

Angesichts der in diesem Hause beschlossenen Heraufsetzung des Rentenalters für Angestellte und Beamte ist der Schritt, die Alterssicherungssysteme der Minister denen der Beamten dem Grunde nach anzugleichen, folgerichtig. Aber folgerichtig muss nicht immer folglich richtig bedeuten. Für eine grundlegende Reform mit dem Ziel einer nachhaltigen Stärkung der Alterssicherungssysteme, durch Einbeziehung der Bundesminister wie auch aller Beamter in die gesetzliche Rentenversicherung, fehlt es leider in diesem Haus an den notwendigen Mehrheiten. Insoweit stimmen wir notgedrungen den einzelnen Regelungen, die eine Besserstellung der Bundesminister gegenüber den Beamten und Beamtinnen beseitigen wollen, zu. Damit enden aber die Übereinstimmungen.

Die Art und Weise, wie sie die Mitglieder des letzten Ministerrats der ehemaligen DDR in die Ministerversorgung einbeziehen wollen, stößt nur noch auf unser Unverständnis und wird in weiten Teilen der Bevölkerung nur das Vorurteil der Selbstbedienungsmentalität bedienen. Für maximal 174 Tage Amtszeit werden die Anspruchsberechtigten eine dynamische, an den Bezügen der Bundesminister angelehnte Pension von aktuell 650 bis 800 Euro erhalten. Diese Großzügigkeit steht in keinem Verhältnis zu der Knauserigkeit, die sie bei der Gestaltung der Opferrente an den Tag gelegt haben. So äußert sich die Gemeinschaft der ehemaligen politischen Häftlinge für uns nachvollziehbar in einem Schreiben, das den meisten Abgeordneten vorliegen dürfte: „Nicht nur uns als älteste und größte Vereinigung der Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft fällt es schwer, Verständnis für eine solche Ehrung aufzubringen. Unsere Mitglieder können beim besten Willen nicht die großen Verdienste sehen, die hier geehrt werden sollen. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die ihre Freiheit, Gesundheit – und manchmal auch das Leben – für die Durchsetzung der Demokratie in unserem Land geopfert haben. Soweit sie diese Versorgungsleistung als Würdigung für die historisch einmalige Aufgabe der Herstellung der deutschen Einheit verstanden wissen wollen, gebietet die historische Wahrheit den Hinweis, dass nicht nur die Mitglieder letzten DDR-Regierung sich diesbezüglich Verdienste erworben haben. Vielmehr hat den Grundstein dafür – und dies ist zu anderen Zeiten von führenden Politikern aus Parteien aller anderen Fraktionen dieses Hauses durch Zitate belegbar anerkannt worden – die Regierung von Hans Modrow gelegt. Wenn also die Herstellung der Einheit Deutschlands einen Anspruch auf Altersversorgung nach diesem Gesetz begründen soll, dann müsste dies auch für die Mitglieder dieser Modrow-Regierung gelten.

Weiter halten wir auch die Art und Weise für bedenklich, wie die Einbeziehung der – ich zitiere – „einzig frei gewählten Regierung“ der DDR erfolgen soll, der die Bundesregierung immerhin bescheinigt, zügig und verantwortungsvoll gehandelt zu haben: Nur Ministerpräsident und Minister erhalten ein Ruhegehalt. Staatssekretäre werden nicht berücksichtigt. Hinter dieser Diskriminierung steht nicht Respekt vor einer historischen Leistung, sondern eine kleinliche Siegermentalität, die den deutschen Einigungsprozess von Anfang an in vielen Bereichen verdorben hat und zum Anschluss verkommen ließ.

Einen besonders üblen Nachgeschmack hinterlässt § 21 Abs. 3, letzter Satz. Die Linke hält es für selbstverständlich, dass Berechtigte, die gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße die Stellung zum eigenen Vorteil oder Nachteil anderer missbraucht haben, nicht in den Genuss einer so gut ausgestatteten Ruhegehaltsregelung kommen sollen. Aber wieso unterstellt der Gesetzentwurf ein solches Verhalten eigentlich ausgerechnet den Ministern und Ministerinnen der letzten DDR-Regierung?

Doch wohl kaum weil Günter Krause, nachdem er Minister der Bundesregierung wurde, wegen Untreue, Betrug und Steuerhinterziehung zurücktreten musste? So viel Arroganz steht uns Westlern, zu denen ich mich ja zählen darf, nicht an. Oder meinen wir, diesbezüglich eine blütenweiße Weste vorweisen zu können? Wollen wir etwa vergessen, dass es ein Mann wie Hans Globke, immerhin Kommentator der Nürnberger Rassegesetze, bis in Adenauers Kanzleramt geschafft hat? Und das ist nur ein Beispiel für eine alles andere als geglückte Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß verstoßen wurde. Auch hier hat den Verfassern des Textes offensichtlich jedes Fingerspitzengefühl gefehlt. In der Konsequenz bleibt mir daher nur die abschließende Feststellung: Die Fraktion die Linke lehnt den vorliegenden Gesetzentwurf ab.


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