Rede
02.07.2009 – Volker Schneider
Schonvermögen beim Arbeitslosengeld II sofort anheben
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Eine der ersten Aussagen der Kanzlerin in der Finanzkrise bezog sich auf die Ängste von Sparerinnen und Sparern. Deren Spareinlagen seien sicher, so Frau Merkel.
Eine Gruppe kann die Kanzlerin dabei nicht gemeint haben, nämlich diejenigen, die im Zuge dieser Krise ihre Arbeit verlieren oder schon verloren haben und nicht schnell genug eine neue Beschäftigung finden, sodass sie irgendwann auf den Bezug von ALG II angewiesen sind; denn diese Menschen werden ihre Ersparnisse oberhalb der nicht gerade üppigen Freigrenzen einsetzen müssen und damit verlieren. Mit der Arbeitslosigkeit werden in diesen Fällen nicht nur kurzfristig Lebensperspektiven zerstört; durch die Inanspruchnahme von Vermögen, das speziell für die Altersvorsorge aufgebaut wurde, wird ihnen vielmehr auch die Hoffnung auf ein finanziell abgesichertes Leben im Alter geraubt. Deshalb fordert die Linke in ihrem Antrag, den Freibetrag für die Altersvorsorge von 250 Euro auf 700 Euro je Lebensjahr – bei maximal 45 000 Euro insgesamt – anzuheben.
(Beifall bei der LINKEN)
Kollege Stöckel, eine Anhebung von 250 Euro auf 700 Euro als eine Verschlechterung zu verkaufen, ist schon eine tolle Sache.
Nun wundere ich mich ein bisschen über die Diskussion; denn Sie trauen sich hier plötzlich nicht mehr, all das zu wiederholen, was Sie im Vorfeld in Bezug auf Populismus so gerne gesagt haben. Ich greife das aber trotzdem gerne auf; denn dieser Vorwurf ist alles andere als originell und gerade in Bezug auf dieses Thema auch alles andere als intelligent. Schauen wir uns doch einmal an, wer noch alles dem Populismus frönt:
Wir wollen mehr Sicherheit für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren und wegen der weltweiten Krise keinen neuen Arbeitsplatz finden können. Deshalb ist der Freibetrag beim Schonvermögen im SGB II zu erhöhen.
So steht es im Wahlprogramm der CDU für die nächste Bundestagswahl.
Wer das zahlenmäßig etwas genauer haben möchte, der muss sich die Beschlüsse des Dresdner Parteitages von 2006 anschauen. Dort forderte die CDU, das Schonvermögen pro Lebensjahr auf 700 Euro bei maximal 45 000 Euro insgesamt zu erhöhen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir lernen: 700 Euro Linke ist populistisch; 700 Euro CDU ist nicht populistisch.
In der Beschlussempfehlung zu dem vorliegenden Antrag, lieber Kollege Schiewerling, liest sich Ihre Position etwas anders als das, was Sie hier vorgetragen haben; denn Sie begründen dort Ihre Ablehnung damit – ich zitiere –:
Man müsse aber auch bedenken, dass nach dem vorliegenden Antrag ein Ehepaar mit 90 000 Euro eigenem Vermögen staatliche Hilfe bekomme.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, Sie brauchen drei Jahre, um festzustellen, dass zweimal 45 000 Euro 90 000 Euro ergibt, oder haben Sie das feststellen können, indem Sie unseren Antrag gelesen haben? Oder sind 45 000 Euro, gefordert von der CDU, etwas anderes als 45 000 Euro, gefordert von den Linken?
(Beifall bei der LINKEN)
Am Rande bemerkt: In unserem Antrag geht es nicht um irgendwelches Vermögen, sondern ausschließlich um Vermögen für die Altersvorsorge. Gänzlich unpopulistisch ist natürlich das, was die Freundinnen und Freude der SPD in ihrem Wahlprogramm versprechen:
Vermögen, das der privaten Altersvorsorge dient, wird nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet. Voraussetzung ist, dass unwiderruflich mit Beginn des Ruhestandes eine monatliche Rente garantiert wird.
Der Kollege Stöckel hat eben erklärt, dass es keine Grenzen gibt, sondern dass für die Anrechnung oder Nichtanrechnung lediglich der Auszahlungsmodus entscheidend ist.
(Rolf Stöckel [SPD]: Ja, natürlich!)
Bis dahin, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, hätten Sie doch immerhin schon einmal die Freibeträge anheben können – nicht, dass die Wirtschaftskrise schon vorbei ist, bevor Sie anfangen, das umzusetzen, was Sie in Ihrem Wahlprogramm versprechen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ganz ehrlich: Wer soll Ihnen diese Versprechen noch glauben? Hier und heute hätten CDU und SPD die Möglichkeit, den Menschen ganz ernsthaft und ganz konkret wieder eine Perspektive dafür zu geben, dass sie einen Rest an finanzieller Sicherheit für das Alter behalten können, wenn sie schon ihren Arbeitsplatz durch die Krise verlieren.
Sie werden genau dies nicht tun, und Sie werden auch Ihre diesbezüglichen Wahlversprechen brechen. Ich ahne schon, dass es Franz Müntefering wieder unfair finden wird, dass man die SPD nach der Wahl an das erinnert, was sie vor der Wahl versprochen hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt: Herr Kollege, denken Sie an die Redezeit.
Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE): Ich komme wirklich zu meinem letzten Satz. – Es bleibt zu hoffen, dass Ihnen die Menschen eine angemessene Antwort auf diese Politik an der Wahlurne geben werden. Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Grotthaus [SPD]: Deshalb sind Ihre Zahlen in den letzten Wochen ja auch nach oben gegangen!)
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