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06.03.2008 – Volker Schneider

Ein Kessel Buntes bei der Weiterbildung - Großen Koalition von Anspruch und Wirklichkeit meilenweit entfernt


Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei so viel schwungvoll vorgetragener Begeisterung

(Jörg Tauss (SPD): Wollen Sie nicht beiseite stehen!)

frage ich mich, ob wir über dasselbe Weiterbildungssystem diskutieren. Geht es hier um das Weiterbildungssystem, das nach Daten der OECD international eindeutig hinterherhinkt? Reden wir über das Weiterbildungssystem, bei dem die soziale Herkunft in hohem Maße für die Inanspruchnahme von Weiterbildungsmaßnahmen und den Umfang, in dem die Teilnehmer von dieser Weiterbildung profitieren können, entscheidend ist? Reden wir über das Weiterbildungssystem, das ausweislich des Bildungsberichtes mit sinkenden Teilnahmequoten rechnen muss und bei dem der Durchschnittswert der aufgewendeten Zeit für die berufliche Weiterbildung deutlich sinkt? Wir reden anscheinend über zwei unterschiedliche Systeme.

Sie sind vor zweieinhalb Jahren als Große Koalition mit folgendem Anspruch angetreten ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag :

Wir wollen mittelfristig die Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungssystems machen und mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen eine Weiterbildung mit System etablieren.

Was ist in der Zwischenzeit passiert? Es hat eine ganze Reihe von Anträgen von der FDP, von den Grünen und von der Linken gegeben. Nur von der Bundesregierung bzw. von der Großen Koalition haben wir außer Ankündigungen bis jetzt wenig gesehen und gehört. Es gab einmal einen Innovationskreis Weiterbildung, der zwischenzeitlich auch einen Bericht vorgelegt hat. Der ist eigentlich nicht so schlecht. Aber es steht nichts wesentlich Neues darin, jedenfalls nichts, was die Oppositionsfraktionen nicht vorher auch schon vorgelegt hätten.

Jetzt legen Sie endlich einen eigenen Antrag vor. Erstaunlicherweise ringen Sie sich im Feststellungsteil immerhin dazu durch, einige kritische Aspekte zur Situation in der Weiterbildung aufzugreifen und die Notwendigkeit von weitreichenden Veränderungen zur Stärkung der Teilnahme an Weiterbildung gerade für Ältere und Geringqualifizierte zu betonen. Aber auch darin steht bis auf eine für mich bemerkenswerte Sache nichts Neues. Das Bemerkenswerte ist für mich als rentenpolitischer Sprecher, dass Sie jetzt sogar die Weiterbildung zum Instrument der Alterssicherung machen wollen. Ich will nicht näher darauf eingehen. Aber es ist schon ein bemerkenswerter Hinweis darauf, in welch bedauernswertem Zustand sich offensichtlich Ihre private Altersvorsorge befindet, dass Sie jetzt die Weiterbildung ergänzend in diesem Bereich heranziehen müssen.

(Beifall bei der LINKEN - Jörg Tauss (SPD): Das müssen Sie jetzt einmal erklären! Keine Weiterbildung für Ältere? Unglaublich!)

Wenn Sie das schon machen, dann wäre es ganz gut, Sie würden sich ein bisschen informieren. Es gibt nämlich ganz aktuell eine Untersuchung der Universität Essen, der Freien Universität Berlin und der Business School in Kiel. Diese besagt, man könne im Bereich der Riesterrente keinen einzigen Euro an zusätzlicher Sparleistung mobilisieren, sondern die Leute schichteten nur auf die geförderten Sparmaßnahmen um. Genau dasselbe wird Ihnen in der Weiterbildung auch passieren. Genau aus diesem Grund hat das Weiterbildungssparen bei weitem nicht den Effekt, den Sie sich davon versprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

In sechs Punkten erfahren wir, was die Große Koalition begrüßt. Die Große Koalition begrüßt zum Beispiel die Vorlage der Empfehlung des Innovationskreises Weiterbildung - fantastisch. Ich könnte noch eine Reihe von Punkten anführen, was man noch so alles begrüßen kann. Dass die KMK die Initiative der Bundesministerin zur Halbierung der Anzahl von Schulabgängern ohne Schulabschluss aufgreift, ist auch sehr begrüßenswert. Nett wäre es, wenn es mit ein paar Maßnahmen unterfüttert wäre. Davon steht nichts in diesem Antrag.

Eines aber muss ich doch lobend hervorheben da sind wir Linken mit Ihnen einer Meinung : Sie schreiben unter Punkt 6, dass die Bundesagentur für Arbeit die Effektivität ihrer Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung verbessert hat, indem die Vorgabe einer Verbleibsprognose von 70 Prozent als Voraussetzung für die Ausgabe von Bildungsgutscheinen für die BA seit 2005 nicht mehr besteht und dass vor allen Dingen bei der Vergabepraxis der BA die Qualität wieder eine größere Rolle spielt. Wir sind mit Ihnen einer Meinung, dass das ein wichtiger und dringend notwendiger Schritt war.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Dafür haben wir gekämpft!)

Dann kommt allerdings ein Teil mit 20 Forderungen an die Bundesregierung, die ich wirklich nur als einen Kessel Buntes bezeichnen kann. In dem Potpourri steht, man soll die Weiterbildung als tragenden Teil des Bildungssystems etablieren und prüfen. Entschuldigung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, dafür haben Sie zweieinhalb Jahre Zeit gehabt. Jetzt ist es wirklich höchste Zeit, dass Sie einmal etwas Ordentliches tun. Es geht nicht nur um Prüfen, um Projekte, Forschungsvorhaben, Initiativen und Aktionsprogramme. Das ist wahrhaftig zu wenig. Entweder Sie wollen nicht oder Sie können nicht. Das ist auf jeden Fall nicht das, was die Weiterbildung braucht, um Deutschland nach vorne zu bringen.
Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Wo bleibt das Konstruktive?)