Sie sind hier: Standpunkte Reden

Rede
07.04.2006 – Volker Schneider
Änderung des Sozialen Entschädigungsgesetzes - mangelhaft!

Der Entwurf des Gesetzes sieht vor, die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, auf die eine Reihe der angesprochenen Leistungsgesetze Bezug nehmen, für Ansprüche aus dem Beitrittsgebiet auch in Zukunft zu mindern. Das muss die Fraktion DIE LINKE. als einen Versuch des Gesetzgebers ablehnen, nachträglich die Rechtsprechung oberster Bundesgerichte zu ändern. Volker Schneider in der Debatte zur Änderung des Sozialen Entschädigungsgesetzes.

"Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hinsichtlich des Entschädigungsrechts und des Ausgleichs von Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet ist der Gesetzgeber aufgefordert - das ist schon ausgeführt worden -, die Gesetzgebung verfassungskonform zu gestalten. An dem vorliegenden Entwurf begrüßt die Fraktion Die Linke, dass der Versuch unternommen wird, die unterschiedliche Behandlung von dienstbeschädigten Kriegsopfern und Opfern von Straftaten in Ost und West aufzuheben. Der Entwurf sieht allerdings vor, die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, auf die eine Reihe der angesprochenen Leistungsgesetze Bezug nehmen, für Ansprüche aus dem Beitrittsgebiet auch in Zukunft zu mindern. Dies müssen wir als einen Versuch des Gesetzgebers ablehnen, nachträglich die Rechtsprechung oberster Bundesgerichte zu ändern. (Beifall bei der LINKEN) Zudem halten wir einen Abschlag für Berechtigte aus dem Beitrittsgebiet angesichts einer weit gehenden Angleichung der Lebenshaltungskosten für nicht mehr zeitgemäß. Auch hinsichtlich der Verbesserung der Situation hinterbliebener Lebenspartnerinnen bzw. Lebenspartner scheint uns der Entwurf zu kurz gesprungen. In den Fällen, in denen aus einer Lebensgemeinschaft gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, wäre aus unserer Sicht sowohl hinsichtlich der Leistungsdauer wie auch der Leistungshöhe eine Gleichstellung mit vergleichbaren Personen aus einer Ehe anzustreben. Besonders beschäftigt haben den zuständigen Ausschuss - das ist hier mehrfach angesprochen worden - die Regelungen zum Wegfall der Dienstbeschädigungsteilrenten aus den vier Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR. Das Verfassungsgericht hat diese als Verfassungsverstoß angesehen und den Gesetzgeber zu einer Neuregelung verpflichtet. Opfer der Staatssicherheit, die bis heute auf eine umfassende Wiedergutmachung erlittenen Unrechts warten, sehen Nachzahlungen an Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit als eine - ich zitiere - "völlig unerklärliche Sanftmut gegen Angehörige eines Unterdrückungsapparats". Auch für unsere Fraktion ist unbestreitbar, dass den Opfern durch Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit in vielen Fällen kaum wieder gutzumachender Schaden zugefügt worden ist. (Beifall bei der LINKEN - Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum stimmen Sie dann nicht zu?) Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass hinzufügen, dass wir die Geschichtsklitterung einiger unbelehrbarer Ewiggestriger und die damit verbundene Verhöhnung von Opfern, wie sie kürzlich in Hohenschönhausen stattgefunden hat, nicht akzeptieren und in aller Deutlichkeit verurteilen. (Beifall bei der LINKEN - Andrea Nahles [SPD]: Hört! Hört! - Maria Michalk [CDU/ CSU]: Dann setzen Sie sich einmal mit Ihren Genossen auseinander!) Aber soweit nun durch die Einfügung eines Paragrafen zur Leistungsversagung und -entziehung Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die Täter über das Sozialrecht verfassungskonform sühnen zu lassen, bezweifeln wir die Erfolgsaussichten eines solchen Unterfangens. Die Anhörung, die zu diesem Thema stattgefunden hat, hat klar ergeben, dass sich die Überprüfung nicht auf die relativ wenigen betroffenen ehemaligen Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit bzw. des Amts für Nationale Sicherheit begrenzen lassen wird. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist doch alles dokumentiert!) Es droht ein erheblicher Prüfungsaufwand mit zweifelhaftem Erfolg. Der uns nicht nahe stehende Sachverständige Professor Dr. Steinmeyer sprach in der Anhörung von einem schön gemeinten Gesetz, das auf nicht genügend Fälle zutreffen würde, sodass es verpufft. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Er hat noch mehr gesagt!) Kollege Schaaf meinte dagegen, dass sich dieser Aufwand schon dann lohne, wenn es sich nur um einen einzigen Fall handele. Nein, Kollege Schaaf, was Sie sagen, ist zwar emotional verständlich, hält aber einer rationalen Prüfung nicht stand. Das Geld, das für den Verwaltungsaufwand nötig ist, wäre bei den Opfern allemal besser aufgehoben, (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist zynisch!) zumal es traurig ist, dass auch im Jahre 16 nach der Wiedervereinigung noch immer keine Regelung gefunden worden ist, den Opfern für die entstandenen Schäden, die sich im juristischen Sinne nicht operationalisieren lassen, eine unbürokratische Wiedergutmachung zu gewähren. (Beifall bei der LINKEN) Frau Michalk, wenn Sie ein solches Gesetz auf den Weg bringen würden, könnten Sie sich auf unsere Unterstützung verlassen. Kurz: Auch wenn der Gesetzentwurf in die richtige Richtung geht, können wir ihm aufgrund der genannten Mängel nicht zustimmen. Die Fraktion Die Linke wird sich daher in der Abstimmung enthalten. (Beifall bei der LINKEN)"