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Rede
07.04.2006 – Volker Schneider
Zukunftsaufgabe Weiterbildung

"Neben der beruflichen sind die allgemeine, die politische und die kulturelle Weiterbildung ein Schlüssel für individuelle Lebenschancen, berufliche Entfaltung, kulturelle Teilhabe und gesellschaftliche Innovation. Wer eine vierte Säule schaffen will, müsste zuallererst die Zuständigkeiten klären. Nur die berufliche Bildung ist durch das Grundgesetz eindeutig zugewiesen, und zwar der Kompetenz des Bundes. Dies sollte auch für die weiteren Bereiche der Weiterbildung im Rahmen der Föderalismusreform geregelt werden. Dies könnte dann die Vorlage eines Gesamtkonzeptes für die Weiterbildung mit bundeseinheitlichen Rahmenregelungen ermöglichen. Dringend ist mehr Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigten in der Weiterbildung. Volker Schneider in der Debatte auf Antrag der LINKEN: "Zukunftsaufgabe Weiterbildung":"

"Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die große Koalition kündigt im Koalitionsvertrag an, die Weiterbildungsbeteiligung, insbesondere die sozial Benachteiligter, zu erhöhen. Mittelfristig will die Koalition die Weiterbildung zur vierten Säule des Bildungssystems machen und mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen eine Weiterbildung mit System etablieren. Hinsichtlich dieser Zielsetzung dürfen Sie auf die volle Unterstützung meiner Fraktion rechnen. Wir werden nicht überkritisch darauf hinweisen, dass das Säulenmodell eigentlich den Stand der Fachdiskussionen in den 70er-Jahren und den 80er-Jahren reflektiert. Wir hoffen allerdings, dass die Ergebnisse der jetzigen Fachdiskussion vor 2030 Eingang in die politischen Diskussionen finden. Warnen müssen wir aber vor Tendenzen in den Ausführungen des Koalitionsvertrags, einseitig Aspekte der ökonomischen Verwertbarkeit von Weiterbildung in den Vordergrund zu stellen. Neben der beruflichen sind die allgemeine, die politische und die kulturelle Weiterbildung ein Schlüssel für individuelle Lebenschancen, berufliche Entfaltung, kulturelle Teilhabe und gesellschaftliche Innovation. Nun sind Ankündigungen das eine; die Wirklichkeit ist aber eine andere Sache. Nicht, dass hier ein weiterer Leuchtturm, nämlich ein strahlender Leuchtturm der Ankündigungspolitik, entsteht. Denn so sieht die Realität aus: Erstens. Die berufliche Weiterbildung seitens der Bundesagentur für Arbeit ist dramatisch zurückgegangen. Waren es 2002 noch 300 000 Teilnehmer, sind es heute gerade noch 100 000. Zweitens. Einher geht dieser Rückgang mit zahlreichen Insolvenzen und Trägerzusammenbrüchen. Der von der Bundesagentur für Arbeit gewollte und von der Bundesregierung geförderte Dumpingwettbewerb hat nicht nur zum Verlust von 30 000 Arbeitsplätzen in diesem Bereich geführt, sondern auch zu Hungerlöhnen, die oft lediglich auf Honorarbasis gezahlt werden. Drittens. Auch der Haushaltsansatz 2006 deutet keine Verbesserungen an. Mit 38 Millionen Euro wird die Koalition ihre ehrgeizigen Ziele nicht erreichen können. Wie soll etwas Neues finanziert werden, wenn die Mittel für lebenslanges Lernen und Weiterbildung um 14 Millionen gekürzt werden? Viertens. Am wenigsten nachzuvollziehen und zu akzeptieren sind die drastischen Kürzungen der Mittel für die Integrationskurse im Haushalt des BMI. (Beifall bei der LINKEN) Dies ließe sich fortsetzen. Aber meine Redezeit zwingt mich zur Zurückhaltung. Aufgrund dieser zeitlichen Beschränkung will ich nur kurz auf die Vorschläge meiner Fraktion eingehen. Ich gehe einmal davon aus, dass zumindest die Bildungspolitiker unter Ihnen unseren Antrag sehr sorgfältig gelesen haben. Erstens. Wer eine vierte Säule schaffen will, müsste zuallererst die Zuständigkeiten klären. Nur die berufliche Bildung ist durch das Grundgesetz eindeutig zugewiesen, und zwar der Kompetenz des Bundes. Dies sollte auch für die weiteren Bereiche der Weiterbildung im Rahmen der Föderalismusreform geregelt werden. Zweitens. Dies könnte dann die Vorlage eines Gesamtkonzeptes für die Weiterbildung mit bundeseinheitlichen Rahmenregelungen ermöglichen. Drittens. Dringend ist mehr Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigten in der Weiterbildung. In dieser Woche habe ich auf einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Träger der beruflichen Weiterbildung die Ausführungen einiger der mir nun folgenden Rednerinnen und Redner verfolgt. Nach dem, was Frau Hinz und Herr Rossmann dort gesagt haben (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]. Das war eine gute Veranstaltung, nicht?) - deshalb erwähne ich es hier ausdrücklich -, müsste es heute große Zustimmung zu unserem Antrag geben. Oder werden Sie unseren Antrag nach dem leider häufig anzutreffenden Motto "Guter Antrag, aber falsche Antragsteller" behandeln? (Zuruf von der SPD: Können Sie mal davon sprechen, warum Sie unsere Anträge immer ablehnen?) Wie auch immer Sie mit dem Antrag umgehen, ersparen Sie meiner Fraktion und den Zuhörern zumindest den oft erhobenen falschen Vorwurf, die Linke veranstalte ein Wunschkonzert und mache sich keine Gedanken um die Finanzierung. In den parallel stattfindenden Haushaltsberatungen haben wir die finanziellen Auswirkungen unserer Vorschläge korrekt beziffert und einen annehmbaren Vorschlag zur Finanzierung durch Umschichtung vorgelegt. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ruhige und besinnliche Ostertage. (Beifall bei der LINKEN)"