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Rede
09.03.2006 – Volker Schneider
Rentennullrunden bedeuten für viele Betroffene den direkter Weg in die Altersarmut

Durch das erklärte Ziel der Bundesregierung das Nettorentenniveau von derzeit 52,7 Prozent auf 43 Prozent im Jahr 2030 abzusenken, droht vielen Rentnerinnen und Rentnern der direkte Weg in die Altersarmut. Die Empörung der Bundesregierung über ihre jetzt eigenen vorgelegten Zahlen, wonach ein sog. Eckrentner bei Renteneinstieg 2009 mit einem Minus von 330 Euro oder 22 Prozent rechnen muss, ist deshalb reine Heuchelei. Verantwortlich für diese katastrophale Entwicklung ist nach Auffassung des rentenpolitischen Sprechers der Fraktion DIE LINKE., Volker Schneider, vielmehr eine völlig verfehlte Lohnpolitik in den letzten Jahren gewesen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedem hier im Haus ist doch bewusst, dass sich die von Frau Schewe-Gerigk angesprochene Tageszeitung nicht gerade durch eine immer sachliche und differenzierte Berichterstattung auszeichnet. Aber immerhin Frau Schewe-Gerigk, das werden doch auch Sie zugeben sind die Zahlen in diesem Bericht korrekt wiedergegeben. Die Kernaussage, dass die Bundesregierung in ihrem aktuellen Rentenversicherungsbericht ihre Rentenprognose deutlich nach unten korrigiert hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. (Zuruf der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) Ich komme noch auf die Art und Weise, wie das dargestellt worden ist. Gedulden Sie sich doch ein wenig! (Klaus Brandner (SPD): Sie haben nur fünf Minuten!) Im Vergleich zu den Prognosen im Rentenversicherungsbericht 1995 kann so dieses Blatt ein so genannter Eckrentner beim Renteneinstieg 2009 statt dort prognostizierter 1510 Euro nach den aktuellen Schätzungen nur noch eine Rente von 1180 Euro erwarten. Das bedeutet wohlgemerkt, darauf weist diese Zeitung nicht hin , dass dies nur für zukünftige, nicht aber für aktuelle Rentenbezieher gilt. Das ist ein Minus von 330 Euro oder 22 Prozent. Weil dieses Blatt so gerne versucht, Dinge selbst auf die Gefahr der Verkürzung hin auf den Punkt zu bringen und dafür auch gerne auf Slogans oder Schlagworte zurückgreift, liefert es auch gleich einen eingängigen Begriff für diesen Vorgang, nämlich den der Schrumpfrente. Die Empörung der Bundesregierung ließ nicht lange auf sich warten. Von Verunsicherungskampagnen und unsinnigem Vergleich ist die Rede. Auch die Deutsche Rentenversicherung zeigt sich empört. Schließlich seien auch die zugrunde gelegten Bruttoentgelte 22 Prozent hinter der Prognose zurückgeblieben. Auch diese Aussage deckt sich mit den Zahlen der beiden angesprochenen Berichte. An dieser Stelle lohnt es sich, einen Moment innezuhalten und einige einfache Überlegungen anzustellen. Dass die Bruttoentgelte hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, ist nicht die Folge einer Naturkatastrophe. (Beifall bei der LINKEN Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): So ist es!) Zum einen ist dies Konsequenz des geänderten Berechnungsverfahrens, das ja gerade die Dämpfung des Anstiegs zum Ziel hatte, zum anderen ist der ausgebliebene Anstieg schlicht Ausdruck der völlig verfehlten Politik der Lohnzurückhaltung, die dazu geführt hat, dass die Löhne in unserem Land weit hinter der internationalen Entwicklung zurückgeblieben sind. (Beifall bei der LINKEN) Ich wiederhole gerne, was unsere Fraktion, insbesondere Oskar Lafontaine, hier mehrfach gesagt hat. (Zuruf von der CDU/CSU: Bitte nicht!) Während in anderen Industriestaaten in den letzten zehn Jahren Lohnzuwächse von 20 Prozent und mehr erzielt wurden, sind in Deutschland die Löhne real um 0,9 Prozent zurückgegangen. Die Konsequenz ist schlicht: Wo die Lohnabhängigen nicht angemessen am Produktivitätsfortschritt beteiligt werden, erhalten auch die Rentner kein Stück mehr von diesem Kuchen. (Beifall bei der LINKEN) Anders gesagt: Hätten wir die prognostizierte Lohnentwicklung von 22 Prozent plus gehabt, dann könnten Rentner im Jahr 2009 auch 1 580 Euro Rente erwarten. (Beifall bei der LINKEN) Aber die Bundesregierung sieht dies alles nicht ganz so tragisch und warnt vor Dramatisierungen. Dabei gibt sie selbst zu, dass es bis zum Jahr 2010 im Wesentlichen Nullrunden geben wird. Damit, wie vorausgesagt, im Jahr 2011 die Rente endlich einmal wieder um 1,4 Prozent steigen soll, wird eine Steigerung der Bruttolöhne um 2 Prozent angenommen. Warum ausgerecht ab diesem Jahr die Bruttolöhne wieder so viel stärker steigen sollen, erklärt die Bundesregierung nicht. Sie nennt diese Schätzung ambitioniert. (Heiterkeit bei der LINKEN) Möglicherweise geht sie davon aus, dass ab 2009 in Deutschland eine Alternative zum Neoliberalismus Regierungsverantwortung übernimmt. Dies würde auch erklären, warum ausgerechnet im Jahr 2009 erstmals wieder die Renten maßvoll um 0,2 Prozent steigen. (Beifall bei der LINKEN) Eine Eckrente in Höhe von 1 180 Euro so lautet die Prognose , das hört sich gar nicht so schlecht an. Viele werden aber erst gar nicht in den Genuss einer solchen Rente kommen. Wie Gregor Gysi ausgeführt hat, heißt Eckrente, dass jemand 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt und stets durchschnittlich verdient hat. Derzeit trifft das nur auf knapp 40 Prozent der westdeutschen Männer und nur auf 3,7, Prozent der westdeutschen Frauen zu. Außerdem arbeitet eh kaum jemand 45 Jahre lang. Was die Lebensarbeitszeit angeht, ist die Tendenz insgesamt sinkend. (Max Straubinger (CDU/CSU): Keine Ahnung!) Ich empfehle Ihnen einfach einmal, die entsprechenden Statistiken zu lesen. Ergo: Künftige Rentner werden häufig mit einer geringeren Rente starten müssen und sie werden sich auch auf eine Reihe von Nullrunden bis zum Jahr 2030 einstellen müssen. (Widerspruch der Abg. Gitta Connemann (CDU/CSU)) Ich verstehe Ihre Erregung nicht. Das ist doch Ihr politischer Wille. Schließlich ist es das erklärte Ziel Ihrer Rentenpolitik, das Nettorentenniveau von derzeit 52,7 Prozent auf 43 Prozent im Jahr 2030 zu senken. (Beifall bei der LINKEN) Wie wollen Sie das anders als mit Nullrunden erreichen? Abgesehen davon dass eine solche Absenkung zusätzliches Gift für die Binnenkonjunktur sein wird, bedeutet diese Entwicklung für die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner eine reale Rentenkürzung und für viele von ihnen den direkten Weg in die Altersarmut. Für die Zukunft der Renten erwarten wir von der Fraktion Die Linke insoweit keine Erfolgsstory; vielen Betroffenen droht schlicht eine Katastrophe. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN)