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Rede
23.04.2009 – Volker Schneider

Der Markt der Weiterbildung ist in seiner unregulierten Form grandios gescheitert


Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Grasedieck, ich bin Ihnen dankbar, dass wenigstens aus Ihrer Rede deutlich geworden ist, dass berufliche Bildung mehr ist als nur berufliche Erstausbildung und dass gerade heute auch das lebenslange Lernen und die betriebliche Weiterbildung dazugehören.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wer sich mit dem vorliegenden Berufsbildungsbericht unter dem Gesichtspunkt der Weiterbildung befasst, kann allerdings nur enttäuscht sein. Gerade einmal fünf Seiten widmet das Bildungsministerium reichlich uninspiriert einer belanglosen Aneinanderreihung der laufenden Projekte. Die substanziellste Information ist der erfreuliche Anstieg der Zahl der Geförderten im Sonderprogramm WeGebAU. Sie ist deshalb erfreulich, weil die wichtigen Zielgruppen der Älteren und Geringqualifizierten in den Unternehmen gefördert werden sollen.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Gute Arbeit!)

Zwischenfazit: Die Würdigung der Weiterbildung durch das Bundesbildungsministerium leider auch durch Ihre Rede, Herr Minister Scholz steht im krassen Gegensatz zu den fortlaufenden Beteuerungen von der besonderen Bedeutung lebenslangen Lernens.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als Linke stellen fest: Es reicht nicht, von der Bedeutung lebenslangen Lernens zu reden, sondern wir brauchen eine Politik, die dieser Wertschätzung entspricht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wesentlich länger und inhaltlich gehaltvoller fällt der Datenreport des Bundesinstituts für Berufsbildung, BIBB, aus. Es ist allerdings auffallend, dass sich das Bildungsministerium in keiner Weise auf die Daten des BIBB bezieht. Wieso eigentlich nicht? Dass sich das Bundesinstitut auf unterschiedliche Studien bezieht das räume ich ein , macht es einem leider nicht leicht, die vorhandenen Daten zu interpretieren. So schwanken etwa die Angaben zu den weiterbildenden Betrieben zwischen 43, 69 und 84 Prozent. Man muss schon etwas genauer nachlesen, um festzustellen, dass 2007 nicht einmal die Hälfte der Betriebe im engeren Sinne als weiterbildungsaktiv anzusehen war. Ansonsten hätte das Bildungsministerium sehr wohl nachlesen können, dass, gerade was die zentralen Herausforderungen der Weiterbildungspolitik anbelangt, die Daten keinen Fortschritt, sondern leider oft nur das Gegenteil signalisieren.

Dazu nur einige, unvollständige Hinweise: Die Zahl der Eintritte in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung ist gestiegen. Aber noch immer liegen die Teilnehmerzahlen aufgrund von Veränderungen in der Förderpolitik weit unter den Zahlen der 90er-Jahre; und das angesichts der drohenden Krise.

Die soziale Selektion im Rahmen der Weiterbildung hat nicht abgenommen. Im Gegenteil: Die Weiterbildungsquote von Personen aus einfachen Tätigkeiten ist zurückgegangen, während die der Personen aus qualifizierten Tätigkeiten zugenommen hat. Wir können doch nicht weiter zusehen, wie sich die soziale Schere in diesem Bereich weiter öffnet.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Länderranking ist Deutschland zurückgefallen, weil Slowenien und Tschechien an uns vorbeigezogen sind. Die Besserplatzierung bei den Teilnehmerstunden erklärt sich nicht durch den Fortschritt in Deutschland, sondern durch Rückschritte in Großbritannien und Norwegen.
Weniger Unternehmen bieten ihren Beschäftigten betriebliche Weiterbildung an, und weniger Beschäftigte haben an betrieblicher Weiterbildung teilgenommen. Gleichzeitig geben die Unternehmen pro Teilnehmer weniger aus. Insgesamt ich zitiere aus dem Bericht „deuten diese Ereignisse darauf hin, dass betriebliche Weiterbildung in Deutschland stagniert bzw. rückläufig ist.“

Kurz: Dieser Berufsbildungsbericht ist ein Dokument des Scheiterns Ihrer Weiterbildungspolitik.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Aber den WeGebAU haben Sie doch gerade gelobt!)

Das ist aber etwas wenig, lieber Kollege Rossmann.

(Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Aber immerhin etwas!)

Sie liefern weder Antworten, wie der im wirtschaftlichen Interesse liegende Qualifizierungsbedarf angemessen gedeckt werden soll, noch verfügen Sie über irgendein Mittel, um zu verhindern, dass sich soziale Benachteiligung auch in der Weiterbildung fortsetzt.

Schaffen Sie endlich einen vernünftigen Rahmen, in dem sich Weiterbildung für Anbieter und Teilnehmer kalkulierbar entwickeln kann. Für die Linke fordere ich zum wiederholten Male die Schaffung eines Erwachsenenbildungsförderungs-
gesetzes.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine letzte Bemerkung an die marktradikalen Freunde auf der rechten Seite des Parlaments: Ein solches Gesetz braucht nicht jedes kleine Detail zu regeln, aber es schafft notwendige Rahmenbedingungen, die auch der Markt der Weiterbildung zwingend benötigt; denn auch dieser Markt ist in seiner unregulierten Form grandios gescheitert.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)