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10.04.2008 – Volker Schneider

Rentenerhöhung nicht mehr als eine billige Mogelpackung


Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als die Deutsche Rentenversicherung Bund gerade verkündet hatte, dass die Renten um 0,46 Prozent steigen sollten, sprach mich eine Rentnerin bei einer Veranstaltung im Saarland an. Sie beziehe eine Rente von 651 Euro das ist immerhin deutlich mehr als der Durchschnitt, der bei Frauen in Westdeutschland bei 465 Euro liegt, und 0,46 Prozent, sagt sie, seien noch nicht einmal 3 Euro. Dafür könne sie sich allenfalls eine Tasse Kaffee mehr leisten; für ein Stückchen Kuchen reiche das nicht mehr. Tatsächlich hätte sie sogar die Tasse Kaffee vergessen können; denn nach Abzug des höheren Pflegeversicherungsbeitrags bleiben netto gerade einmal 1,37 Euro übrig. Immer habe sie CDU gewählt; aber damit sei nun Schluss. Beim nächsten Mal wähle sie die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition, Sie wissen nur zu genau, dass dies kein Einzelfall ist. Deshalb greifen Sie auf abenteuerliche Weise in die Rentenformel ein. Sie wollen Wahlgeschenke verteilen.

Nun sollen die Renten um 1,1 Prozent steigen. Nach Abzug der Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags um 0,25 Prozentpunkte bleibt eine reale Erhöhung von 0,85 Prozent übrig. Jetzt hätte unsere Rentnerin 5,53 Euro mehr in der Tasche. Die gehen aber bei einer 50-Quadratmeter-Wohnung allein für die gestiegenen Heizkosten drauf. Für alle weiteren Preiserhöhungen muss an anderer Stelle gespart werden. Ich befürchte, dass in Zukunft alle Café-Besuche gestrichen werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN - Andrea Nahles (SPD): Was ist mit dem Wohngeld, das wir erhöhen?)

Bei den Männern und einer durchschnittlichen Rente in Höhe von 969 Euro in den alten Bundesländern bleiben 8,24 Euro statt 2,03 Euro mehr in den Taschen. Auch das ist zu wenig, um die zahlreichen Preiserhöhungen ausgleichen zu können. 0,85 Prozent bei einer Inflationsrate von 2,3 Prozent im Jahr 2007 und von zuletzt 3,1 Prozent im März 2008! Da besitzen Sie die Frechheit, zu behaupten, es gehe Ihnen darum, die Rentner am Aufschwung teilhaben zu lassen. Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, wenn Bundesminister Scholz oder auch Herr Brauksiepe uns hier weismachen wollen, es sei ein Aufschwung, wenn die Rentner real weniger in den Taschen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Dabei ist das nur die Spitze des Eisbergs; denn die Inflationsrate beinhaltet beispielsweise eine Senkung der Computerpreise von 10 Prozent.

(Andrea Nahles (SPD): Sie sind doch immer diejenigen, die sagen, 2 Euro seien viel Geld!)

Rentnern dürfte dies nicht wesentlich geholfen haben. Die Steigerung der Preise für Lebensmittel und Getränke in Höhe von 10 Prozent, die Steigerung der Heizkosten, etwa beim Heizöl, von mehr als 40 Prozent das ist das, was die Rentnerinnen und Rentner hart trifft. Gemessen am tatsächlichen Konsumverhalten liegen die Preissteigerungen für die Rentner nach Berechnungen der Universität Fribourg aktuell bei 6 Prozent. Real haben Rentnerinnen und Rentner also mehr als 5 Prozent weniger in der Tasche, ich wiederhole: mehr als 5 Prozent.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist der Aufschwung, von dem Sie sprechen. Das ist kein Aufschwung, sondern das ist eine Verhöhnung von Menschen, denen dieses Land für ihre Aufbauleistung erheblichen Dank schuldet.

Sie berauschen sich an Ihrem Aufschwung, den zu bejubeln Sie nicht müde werden. Für das Jahr 2007 hatten Sie eine Lohnentwicklung von 1,8 Prozent prognostiziert. Das ist nicht gerade ein ambitioniertes Ziel für ein Aufschwungjahr. Geworden sind es dann gerade einmal 1,4 Prozent. Auch bei den Arbeitnehmern kommt Ihr Aufschwung nicht an. Statt der zu erwartenden Rentenerhöhung von 1 Prozent, beträgt diese ohne Ihre Notoperation nicht einmal ein halbes Prozent. Da trauen Sie sich noch, für 2012 von einer Lohnerhöhung von 2,2 Prozent auszugehen und weiter anzunehmen, dass diese bis 2020 gleichmäßig auf 3 Prozent ansteigt und danach konstant bleibt. Falls Sie es immer noch nicht bemerkt haben: Das Einzige, was bei Ihnen beschäftigungsmäßig explodiert, ist der Niedriglohnsektor, ist Leiharbeit, sind Mini- und Midijobs. Insoweit sind solche Annahmen Wolkenkuckucksheime und völlig unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber in einem haben Ihre Planungen wirklich innovativen Charakter. Das ist sicherlich das erste Geschenk mit garantierter eingebauter Rückgabeverpflichtung. 46 Euro mehr wird der sogenannte Eckrentner 2008 nach Ihrem Entwurf erhalten. Der Betrag steigert sich auf bis zu 189 Euro im Jahr 2011. Aber ab 2013 wird die Rente nach Ihrem neuen Plan nun niedriger sein als nach dem bisherigen. Das wird auch mindestens bis 2030 so bleiben. Dumm ist nur, wenn man in den fetten Jahren nicht profitieren kann, weil der Rentenbezug erst in den mageren Jahren beginnt. Die heute 60-Jährigen, die 2013 in Rente gehen, profitieren von Ihrer Regelung nicht mehr, sondern sie zahlen nur noch drauf.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist wahr!)

Bei den 17 Bezugsjahren, von denen auch der Bundesminister gerade eben gesprochen hat, wären das rund 400 Euro weniger. Da sagen wir als Linke: Sozial gerecht sieht anders aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend noch ein Wort zum Thema Generationengerechtigkeit. Auch durch das Dreisäulenmodell wird der Finanzbedarf für die Altersvorsorge insgesamt nicht niedriger. Bei dem Rentenreformgesetz von 1992 war für 2030 ein Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung von maximal 28 Prozent angenommen worden. Die rot-grünen Rentenreformen senkten den zu erwartenden Beitragssatz auf 22 Prozent im selben Jahr. Die daraus resultierenden Leistungskürzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung machen jedoch eine zusätzliche private Altersvorsorge nötig. Das sind 3 Prozent Riester, wenn wir die staatliche Förderung von 25 Prozent abziehen, plus weitere 3 Prozent sonstige private Vorsorge. Das macht zusammen man staunt ebenfalls 28 Prozent, nur dass jetzt die Arbeitnehmer nicht mehr 14, sondern 17 Prozent zu tragen haben. Gespart wird also nichts.

Im Gegenteil: Die Studie „Altersvorsorge in Deutschland AVID “ lässt eher vermuten, dass 6 Prozent private Vorsorge nicht ausreichen werden, um das vorhergehende Versorgungsniveau zu erreichen. Wie sähe die aktuelle Beitragsversorgung aus? Nach der Gesetzeslage von 1992 läge der Beitragssatz heute bei rund 22 Prozent. Die Hälfte, also 11 Prozent, zahlt der Arbeitnehmer. Aktuell sind es für den Arbeitnehmer 9,75 Prozent plus 6 Prozent private Vorsorge, also 15,75 Prozent, oder er riskiert eine deutlich abgesenkte Versorgung im Alter. Was daran generationengerechter sein soll, wenn jüngere Arbeitnehmer schon heute und nicht erst 2030 deutlich höhere Beiträge für die Altersvorsorge einzahlen müssen und sich trotzdem auf niedrigere Versorgungsleistungen im Alter einstellen müssen, bleibt das Geheimnis der Kollegen Spahn, Fuchs und von wem auch immer, der meinte, sich an dieser Debatte beteiligen zu müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Konflikt besteht nicht zwischen Alt und Jung, sondern zwischen oben und unten in dieser Gesellschaft, zwischen Arm und Reich. Unternehmen und Besitzer von Kapitalvermögen sind diejenigen, die den Löwenanteil des Aufschwungs einstreichen. Gleichzeitig entziehen sie sich ihren gesamtgesellschaftlichen Verpflichtungen. Von wegen Eigentum verpflichtet! Sie zahlen schon heute nur 9,75 Prozent statt 11 Prozent und perspektivisch 2030 nur 11 Prozent statt 14 Prozent in die gesetzliche Rente.

Für die Linke sind bezahlbare Renten für die jüngere Generation und ein würdevolles Leben im Alter keine Gegensätze. Sie sind eine Frage des politischen Willens. Aber dazu fehlt dieser Bundesregierung der Wille. Mit dem jetzt vorgelegten Taschenspielertrick werden Sie sich auf Dauer nicht über die Runden retten können. Für die Linke gehört der Riester-Faktor nicht aufgeschoben, sondern abgeschafft. Mit ihm sollten alle weiteren rot-grünen Dämpfungsfaktoren abgeschafft werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)